Als du geboren wurdest, hörte die Welt deinen Schrei. Lebe dein Leben so, daß du die Welt schreien hörst, wenn du sie verläßt.
Sprichwort der nordamerikanischen Indianer
Name: Sam
Williams Huff
Rang: Private
First Class ( Obergefreite)
Einheit: 504.Militärpolizeibataillon, US - Army
Alter: 18
aus: Tucson, Arizona, USA
aus: Tucson, Arizona, USA
Gefallen: 17.April
2005, Bagdad, Irak
Operation Iraqi Freedom
Operation Iraqi Freedom
Bildquelle: Facebook |
„Was zur Hölle redest du da, Mädchen?! Das ergibt keinen
Sinn für mich! Du wirst ihnen das alles schön selbst sagen!“
Der Sergeant bekam keine Antwort mehr. Ein großes, ein gutes
Herz hatte aufgehört zu schlagen.
Sam James ist eine beeindruckende Persönlichkeit,
hochgewachsen, intelligent, seine Worte mit Bedacht wählend. Der Familienvater
und Gruppenführer im 504. Militärpolizeibatallion der US Army verkörpert das,
was man gemeinhin einen gestandenen Mann nennt. Er absolvierte Einsätze im Irak
und im Kosovo, war in Kämpfe verwickelt, wurde mit menschlichem Leid,
Verletzungen und Tod konfrontiert.
Nichts, so glaubt man, kann den erfahrenen Soldaten aus seiner
professionellen, in vielen kritischen Situationen gestählten Ruhe reißen.
Als Sergeant James der Autorin Leslie Garrison über die
letzten Worte im Leben von Sam Huff berichtete, war es mit seiner
Selbstbeherrschung vorbei. Jetzt hatte Sam James den Kampf gegen die Tränen
verloren.
„Bitte sagen Sie Mama, dass ich sie liebe, und Papa wünsche
ich viel Glück für sein Album“ flüsterte die 18jährige ihrem Vorgesetzten und
väterlichen Freund zu, bevor sie die Augen für immer schloß.
Etwas mehr als eine Stunde zuvor war unmittelbar neben dem
Fahrzeug, das die junge Soldatin aus Tucson in Arizona durch die nächtlichen
Straßen Bagdads steuerte, ein ferngezündeter Sprengsatz explodiert. Drei 155 mm
Artileriegranaten chinesischer Bauart schleuderten messerscharfe, glühendheiße
Splitter, die Boden, Kotflügel und Fahrertür durchschlugen und ihre beiden
Beine oberhalb der Knie zerfetzten. Verzweifelt kämpften Kameraden und
Sanitäter um ihr Leben, doch in dieser chaotischen Nacht hatten sie keine
Chance. Die Funkverbindung brach zusammen, so daß niemand in der Lage war,
einen Rettungshubschrauber zu rufen. Das Lazarett, in das man Sam schließlich
in einem der unzerstörten Fahrzeuge brachte, befand sich viel zu weit entfernt,
die Soldaten kannten die Gegend nicht und verfuhren sich. Erschüttert und
hilflos musste Sergeant James mit ansehen, wie das zierliche Mädchen, das er
zärtlich-liebevoll „ die kleine Schwester unseres Zuges“ nannte, langsam in
seinen Armen verblutete.
Obwohl das 504. Bataillon bereits zuvor Verluste im Gefecht
erlitten hatte, war der Tod der bei Vorgesetzten wie Kameraden beliebten und
geachteten jungen Frau ein Schock für die Einheit. „ Zum ersten Mal in meiner
langen Dienstzeit beim Militär sah ich einen Oberstleutnant weinen.“ beschrieb
ein Angehöriger des Bataillonsstabes den Moment, als die Todesnachricht aus dem
Lazarett eintraf auf der Videoplattform Youtube. “Durch sie wurde ich zu einem
besseren Vorgesetzten, Soldaten und Menschen. Ich werde über das, was in dieser
Nacht geschah, niemals hinwegkommen“ gestand Sergeant James.
Neue Rekruten, die ins 504. Bataillon kamen, wurden von
Stabsfeldwebel Stearns mit einem weißen Blatt Papier empfangen, über dem stand:
„ Darum ist Sam Huff meine Heldin“. Er ließ sie einen Halbkreis bilden, er
erzählte – und sie mussten schreiben …
Wer war dieses Mädchen, dessen kurzes Leben so viele
Menschen bewegte und über das ihre Freundin und Kameradin Terri Euri sagte:
„ Sie war dein Fels in der Brandung, sie ging für dich
durchs Feuer. Wenn du einen Freund brauchtest, du fandest ihn in ihr.“
2007 beschrieb die Journalistin und Autorin Leslie Ann
Garrison aus Seattle in ihrer Biographie
„American Daughter – The Sam Huff Story“ den berührenden und tragischen
Lebensweg einer jungen Frau, deren unbeirrbarer Wille, Scheitern unter keinen
Umständen zu akzeptieren in jener schicksalhaften Aprilnacht an seine letzte
Grenze stieß.
Mehr als 1500 Menschen besuchten die „ memorial services“–
öffentliche Veranstaltungen, bei denen die Erinerungen an einen Verstorbenen
geteilt werden - für Sam an verschiedenen Orten, der Basis
ihrer Einheit in Bagdad, in ihrer Heimatstadt Tucson und an ihrer Schule, der „
Mountain View Highschool“ in Oro Valley. Allen, die dabei das Wort ergriffen,
war eine Erinnerung gemeinsam – die tiefe, innige Liebe, die Sam ihren Eltern entgegenbrachte. Shaw Duvall, Bordschütze auf dem Fahrzeug von Sam und
Sergeant James, heute Sheriff in seiner Heimatstadt Tampa, erinnerte sich:
„ Sie kam irgendwann mit ihrem Fotoalbum zu mir, das voller
Bilder ihrer Eltern war, und fing zu erzählen an. Jeder Soldat in unserer
Einheit kannte dieses Album. Obwohl keiner von uns ihnen je begegnet war,
wußten wir alles von Sams Eltern."
Glenn Johnson, ein Freund der Familie, schrieb: „ Ich
erlebte niemals zuvor eine stärkere, engere Bindung zwischen Eltern und ihrem
Kind. Es wundert mich in keiner Weise, daß Sams letzte Worte, nachdem sie
tödlich verwundet wurde, an ihre Eltern gerichtet waren. Bob und Maggie hörten
niemals auf, Sam die ungeschminkte Wahrheit über alles und jedes zu erzählen
und ich denke, das war der Hauptgrund, daß sie so schnell zu einem solch
starken, ausgeglichenen Charakter einer erwachsenen jungen Dame heranwuchs.“
Sam Huff mit ihren Eltern Bob Huff und Margaret Joyce „Maggie“ Williams (Bildquelle:Facebook) |
Sams Mutter, Maggie Williams, die während des Vietnamkrieges
als Fluglotse im Marine Corps diente und danach, wie Vater Bob Huff, bei der
Polizei von Tucson, blickte zurück:
„ Wir erzählten ihr stets die Wahrheit und sie glaubte uns.
Sie war ein außergewöhnlicher Teenager in dieser Hinsicht, weil sie immer
bereit war, uns zuzuhören. Sie wußte, daß ihr Vater und ich durch unseren Job
lebenserfahren waren, und wenn wir ihr erzählten, was mit Leuten passiert, die
Drogen nehmen oder Sex haben, ohne alt und erfahren genug zu sein, dann glaubte
sie uns. Sie war ein großartiges Kind in dieser Beziehung.“
Ein Thema gab es allerdings, über das niemand mit Sam
sprechen konnte: die Bitte, in Kriegszeiten nicht in die Armee einzutreten. Es
war ihr Traum seit Jahren, als Militärpolizist zu dienen und Sam Huff war fest
entschlossen, diesen Traum wahr werden zu lassen.
„ Wir gerieten einmal
in einen heftigen Streit, in meiner Küche, als ich sie bat, sich die Sache doch
wenigstens noch einmal zu überlegen.“ berichtete ihre Schulfreundin Lauren
Robbenault. „ Sam riß die Tür auf und fuhr mich an: Wenn du nicht bereit bist,
mich zu unterstützen, dann geh. Ich blieb, denn ich wollte unsere Freundschaft
nicht aufs Spiel setzen. Nach dem sie gefallen war, hörte ich viele Leute
sagen, daß irgendjemand es hätte verhindern, sie stoppen müssen. Das ist
Unsinn. Niemand konnte Sam aufhalten, wenn sie sich ein Ziel gesetzt hatte.“
Mutter Maggie fügte hinzu: „ Sie hatte schon als Kind diese Anpackermentalität:
Sag mir, daß ich etwas nicht kann und ich werde es dir beweisen.“
Sams Willenskraft, ihre Führungsstärke und die unbedingte
Bereitschaft sich für andere, schwächere Mitglieder der Gemeinschaft
einzusetzen, beeindruckten Ellen Kirkbride, die Musiklehrerin der Mountain View
Highschool und Leiterin der Schulband. Von ihrem ersten Highschooljahr an
spielte die wie ihr Vater Bob musikalisch begabte Sam Flöte in der Marching
Band, auch hier hatte sie von Anfang an ein klares Ziel vor Augen – die
Position des Tambourmajors. Obwohl diese Aufgabe traditionell Schülern älterer Jahrgänge
vorbehalten war, marschierte Sam tatsächlich im Alter von gerade 16 Jahren als
„ Drum Major“ an der Spitze der Mountain View Marching Band. „Es gab musikalisch
talentiertere Bewerber, aber keiner hatte diese positive Ausstrahlung, die
Fähigkeit, andere mitzureißen und vor allem die rührende Art und Weise, mit der
sie sich um die Kleineren und Leistungsschwächeren kümmerte.“, so Ellen
Kirkbride.
Sam Huff als Mitglied der Mountain View Marching Band ( Bildquelle: legacy.com) |
Dieses kurze Video bei Youtube zeigt Sam während eines Auftrittes 2003
Ungefähr zur gleichen Zeit überraschte Sam ihre Eltern mit der Ankündigung, in die Armee eintreten zu wollen, zu einer Zeit, als Amerika in zwei Kriege mit ungewissem Ausgang verwickelt war, ein beunruhigender Gedanke für Maggie und Bob. „ Ja, ich kenne die Risiken“ sagte Sam ihrem Vater, „ aber ich habe einen Plan. Ich möchte, während ich bei der Armee bin, ein Fernstudium beginnen, meinen Abschluß in Psychologie machen und danach zum FBI gehen.“
Schweren Herzens entschlossen sich Maggie und Bob ihre wegen
Sams Minderjährigkeit notwendige Zustimmung zu geben, immer in der stillen
Hoffnung, sie könnte ihre Meinung noch ändern. Maggie wollte ihre gutaussehende
Tochter zu einer Modelkarriere überreden, aber die hübsche Sam, der die Herzen
vieler junger Männer an ihrer Schule und darüberhinaus zuflogen, strebte nie
nach der Aufmerksamkeit des anderen Geschlechtes.
„Ich will niemals einen Job haben, der von meinem
Aussehen abhängig ist. Mein Leben soll etwas bewirken“ sagte Sam zu ihrer
Mutter.
Am 4. Juli 2004, unmittelbar nach ihrem Schulabschluß,
verließ Sam ihr Elternhaus, um ihre Grundausbildung in Fort Leonard Wood, Missouri anzutreten.
Nur wenige Tage zuvor war bei ihrer Mutter Maggie
Lungenkrebs diagnostiziert worden, die Ärzte gaben ihr sieben Monate bis maximal
zwei Jahre zu leben. Maggie und Bob entschlossen sich, Sam nichts davon zu
erzählen. „Ich wollte nicht, daß sie ihren Lebensplan wegen meinem ändert.“
sagte Maggie.
Waren Sams Vorgesetzte anfangs skeptisch, ob das kleine
schmächtige Mädchen die körperlichen Herausforderungen des Militärdienstes
meistern könne, wichen ihre Zweifel bald dem Staunen über ihre Fähigkeit, die
eigenen Grenzen zu überschreiten. Im März 2013 erinnerte sich der pensionierte
Armeeausbilder John Arnet auf der Facebookseite der 42. Brigade an diese Zeit:
„Sie absolvierte den physischen Teil der Ausbildung mit
Bravour, was ihr keiner von uns zugetraut hatte. Allerdings erlitt sie dabei
eine Streßfraktur im Bein und der Arzt setzte sechs Wochen Rehabilitation bis
zu Dienstfähigkeit voraus. Unser Kompaniechef wollte sie nach Hause schicken,
nach seiner Meinung konnte sie die ausgefallene Ausbildung bis zur
Abschlußprüfung nicht mehr aufholen. Sie kam in mein Büro und beschwor mich,
wir dürften ihren Traum nicht zerstören, sie würde hart arbeiten um alles
nachzuholen. Am Ende stimmte ich meinen Kommandeur um und in der Tat, sie hielt
durch. Als ich von ihrem Tod erfuhr dachte ich, ich hätte besser auf meinen
Vorgesetzten hören sollen. Dann wäre sie heute noch am Leben und bei ihrer Familie.“
Sam Huff nach Abschluß ihrer Ausbildung, Fort Leonard Wood, MO., Herbst 2004 (Bildquelle: Facebook) |
Sam Huff wurde der 170. Kompanie im
504.Militärpolizeibataillon, Fort Lewis / Washington zugeteilt. Ihr Gruppenführer, Sergeant Sam James,
erinnerte sich genau an den Moment des ersten Zusammentreffens mit seiner neuen
Untergebenen:
„Sie kam herein, knapp 1,60m groß, keine 50 kg schwer. Ich
konnte geradewegs über ihren Kopf hinwegsehen, als sie mir Meldung erstattete
und ich dachte: O.K., wir ziehen in den Krieg und das gibt man mir als
Soldat.Aber sie war intelligent, diszipliniert und in der Lage, ihre physischen
Defizite durch mentale Stärke auszugleichen. Ihr Ziel bestand stets darin,
besser zu sein als ihre Kameraden. In diesem Körper eines kleinen, scheinbar
zerbrechlichen Mädchens verbarg sich ein Rückgrat aus Stahl.“
Sergeant James begann Sam als seine persönliche Fahrerin zu
trainieren, schon bald wich seine anfängliche Skepsis Bewunderung.
„Nachdem wir im Kuwait angekommen waren, begannen wir mit
noch intensiverer Ausbildung für unseren
Einsatz. Beim
Selbstverteidigungstraining schlug sie härter zu, als mancher meiner
Unteroffizierskollegen und selbst ich fand mich einige Male mit schmerzenden
Gliedern im Wüstensand wieder, weil sie mich im Schwitzkasten hatte.
Unsere Fahrzeuge waren mit überschweren Maschinengewehren
ausgerüstet, die man laden mußte, in dem man den Verschluß nach hinten zog. Sie
scheiterte zunächst daran, es überstieg ganz einfach ihre körperlichen Kräfte.
Ich nahm sie zur Seite: `Ist das dein Ernst, willst du etwa ein halber Soldat
sein? Es kann da draußen Leben kosten, wenn du diese Waffe nicht laden kannst´
Es dauerte nicht lange, und ich hörte das Geräusch, wie das MG durchgeladen
wurde, wieder und wieder und wieder. Nein, Sam Huff war kein kleines Mädchen,
sie war eine starke Frau.“
Die Zeit, die Sam in Fort Lewis verbrachte, veränderte ihr Leben. Das bildschöne Mädchen, das jungen Männern bis dahin so wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht hatte, verliebte sich in ihren Kameraden Nicholas Neally. Sie trug einen Verlobungsring an ihrem Finger, als sie Anfang 2005 das Transportflugzeug Richtung Kuwait bestieg.
Die Zeit, die Sam in Fort Lewis verbrachte, veränderte ihr Leben. Das bildschöne Mädchen, das jungen Männern bis dahin so wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht hatte, verliebte sich in ihren Kameraden Nicholas Neally. Sie trug einen Verlobungsring an ihrem Finger, als sie Anfang 2005 das Transportflugzeug Richtung Kuwait bestieg.
Angekommen im Irak wurden die Militärpolizisten der
170.Kompanie für die gefährlichste aller Aufgaben eingeteilt. Sie fuhren
Begleitschutz für die zahlreichen Fahrzeugkonvois zwischen dem Flughafen Bagdad
und der „Green Zone“, dem riesigen Militär- und Diplomatenviertel im Zentrum,
die pausenlos aus dem Hinterhalt attackiert wurden, in ihren fast ungepanzerten
„Humvee“-Jeeps ein wahres Himmelfahrtskommando. „ Wir fahren mit über 110 kmh, drängen jedes Fahrzeug, das
unserem Konvoi zu nahe kommt, ab oder rammen es. Um uns herum wird geschossen,
ohne daß wir sehen können, woher es kommt. Wir können absolut nichts tun, nur
fahren und beten, daß es uns nicht trifft.“ schrieb Sam in einer email nach
Hause.
"Beten, daß es uns nicht trifft" Sam am Steuer ihres Humvee, Bagdad, Frühjahr 2005 (Bildquelle: The Rolling Stone Magazin, Nr. 1027 v. 31.05.2007) |
Die unaufhörliche nervliche Anspannung, die ständige
Anwesenheit tödlicher Gefahr förderte eine weitere wesentliche Eigenschaft in
Sams Charakter zutage – das absolute Fehlen jeglicher Furcht in
gefährlichen Situationen. „ Wir fuhren
von einem Einsatz zurück zu unserer Basis“, so Sergeant James „ und unmittelbar
vor uns ging eine Autobombe hoch. Eine beliebte Taktik der Terroristen war es,
Fahrzeuge, die an solchen Stellen langsam fuhren oder hielten, aus dem
Hinterhalt anzugreifen. Also befahl ich ihr, auf keinen Fall auch nur den Fuß vom Gas zu
nehmen. Die Straße war mit Trümmern und Leichenteilen übersät, vor uns lag ein
Torso, ein menschlicher Körper ohne Arme und Beine, dem wir nicht ausweichen
konnten -die einzige Möglichkeit war, darüberhinwegzufahren. Mein Bordschütze
Duvall, ein Soldat mit langer Kampferfahrung, erlitt einen Nervenzusammenbruch,
schrie, er könne das alles nicht mehr aushalten, während meine achtzehnjährige
Fahrerin mit keiner einzigen Wimper zuckte.“
Sam schilderte diesen
Vorfall Bill Holmes, einem Freund der Familie in einer email: „… ob du mir
glaubst oder nicht, ich fuhr über all das drüber und ich hatte keine Gefühle
dabei. Das einzige, woran ich dachte, war, mich, meinen Bordschützen und meinen
Kommandeur am Leben zu erhalten. …“
Eine Begebenheit, die sich in einer irakischen
Polizeistation zutrug, blieb Sergeant James besonders in Erinnerung. „ Wir
sollten die neu aufgebaute irakische Polizei ausbilden, sie fit dafür machen,
irgendwann ohne uns klarzukommen. Als ich nach draußen ging, um eine Zigarette
zu rauchen, hörte ich diese charakteristische, schrille Stimme und glaubte
meinen Augen nicht zu trauen. Da stand dieses kleine Mädchen, die blonden Haare
lugten rechts und links unter dem Helm hervor, mitten auf dem Hof und
scheuchte ein halbes Dutzend irakischer
Polizisten in der Gegend herum. Keiner von denen war jünger als 50 und Sam
brüllte sie an, weil sie dies und jenes nicht zu ihrer Zufriedenheit erledigt
hatten. Sie begegnete meinem fassungslosen Blick und sagte: ´Was´n los, Sarge,
warum gucken Sie so? Hatten Sie vielleicht gedacht, daß ich sowas nicht kann??´
Ich fing schallend zu lachen an und rief zu ihr herüber: ´Huff, sie sind
vollkommen verrückt! ´ Sie wußte selbstverständlich,
daß irakische Männer keinerlei Respekt vor einer Frau haben, genau deshalb zog
sie das mit aller Konsequenz durch. Sam hatte keinerlei Furcht, niemals, vor
nichts und niemandem.“
„Dachten Sie etwa, daß ich das nicht kann?“ Sam Huff
im Kampfanzug, Bagdad, Frühjahr 2005 (Bildquelle: arlingtoncemetery.com)
|
Beindruckende äußere Erscheinung und charakterliche Stärken,
diese Erinnerung an Sam teilten viele Freunde, Kameraden und Vorgesetzten in
den Interviews mit Leslie Garrison und den Gedenkveranstaltungen nach ihrem
Tod.
Ashley Lathers, Sams Freundin und Zimmergenossin im Irak:
„Sie hatte keine Scheu, ihre Gedanken zu äußern, aber sie
war die erste, die bereit war, eine andere, abweichende Meinung zu akzeptieren.
Sie war eine innere und äußere Schönheit, strahlte eine ungewöhnliche Kraft
aus. Du mußt dein Leben mit voller Intensität leben, deine Ziele mit ganzer
Kraft verfolgen, das war es, was ich von Sam lernte.
Sie liebte zwei Dinge, ihren Verlobten Nick und das Tanzen.
Dieses Mädchen war pausenlos am Tanzen, wann immer sie die Gelegenheit hatte,
ich überraschte sie manchmal,in unserem Zimmer, wie sie quer durch den ganzen
Raum tanzte .Sie tanzte mit einer Anmut, die den meisten Menschen fehlt.
Achtzehn ist ein schrecklich junges Alter, die Welt zu verlassen, aber sie
hatte ein Leben gelebt, von dem viele Menschen nur träumen können. Die Art und
Weise, wie sie gelebt hat, macht sie unsterblich, nicht die Umstände ihres
Todes, das würde ich der Welt über Sam Huff erzählen. Die Menschen sollten sich
in Erinnerung rufen, daß die Person und nicht die Tat einen Helden ausmacht.“
„Wir wurden so enge Freunde, daß wir als Bruder und
Schwester angesehen wurden. So nannte man uns in der Kompanie und das traf es
genau“ sagte Bordschütze Shaw Duvall.
„Sam war die kleine Schwester, die ich immer wollte, aber niemals hatte Wir redeten über alles, was in unserem Leben
passierte, halfen uns gegenseitig, wenn der andere Probleme hatte, waren stets
füreinander da. Es war mir eine große und besondere Ehre, sie gekannt zu haben,
Teil ihres Lebens gewesen zu sein“
„Der Mensch, nicht die Tat macht einen Helden“
Obergefreite Ashley Lathers gedenkt ihrer
Freundin Sam Huff, US-Army Basis Camp Falcon, Bagdad, April 2005 (Bildquelle: dvidshub.net)
|
Eindringliche, berührende Worte fand Sam James, der
erfahrene Berufssoldat, der in Sams letzten Minuten an ihrer Seite war:
„Sie war eine wunderschöne junge Frau, die Art, nach der man
beim Einkaufen den Kopf verdreht, eine fröhliche, lustige Person, die die
schönen und wichtigen Dinge in ihrem Leben liebte – Musik, Tanzen, ihren Verlobten,
ihre Eltern. Sam war ein so glücklicher und zufriedener Mensch, wenn sie ging,
sah es so aus, als würde sie über den Boden schweben.Aber unter dieser äußeren
Hülle einer schönen jungen Dame verbarg sich ein Rückgrat aus Stahl. Ich fragte sie irgendwann, warum sie zur
Armee ging und sie erwiderte, daß sie ihren Teil beitragen wolle. Ihre Mutter
diente im Marine Corps und bei der Polizei, ihr Vater war Sheriff und nun sei
es an ihr, anderen Menschen zu helfen. Mein Team und ich fanden uns auf unseren
Missionen in Bagdad in vielen gefährlichen Situationen wieder, in keiner
einzigen zeigte sie auch nur das geringste Anzeichen von Furcht. Ich vertraute
ihr ohne Bedenken mein Leben an. Menschen wie Sam machen es zu einer Freude,
Anführer in der Armee zu sein...“
Anderen, schwächeren Menschen, die selbst nicht für ihre
Interessen einstehen können, zu helfen, war die stärkste Motivation für Sam
Huff. „ Sie wurde wütend, wenn sie eine Frau in einer Burka sah“ erinnerte sich
ihre Mutter „ am meisten schockiert war sie, als sie in einer irakischen
Polizeistation mit einer Frau sprach, die Medizin studiert hatte, aber
wegen ihres Geschlechts nicht als Ärztin
arbeiten durfte.“
„ Ich kenne keinen einzigen Jungen an unserer Schule, der
diese physischen und psychischen Opfer für Menschen, die er niemals gekannt
hat, auf sich genommen hätte. Irgendwann, Sam, erzähle ich meinen Kindern von
meiner Freundin, die zu solch einer Heldin wurde.“ schrieb Schulfreundin Lauren
Robbenault.
„Eine innere und äußere
Schönheit von ungewöhnlicher Kraft“ (Bildquelle: legacy.com)
|
Sam Huff wurde mit allen Ehren auf dem Nationalfriedhof Arlington bestattet. Ihre Mutter Maggie legte ihre eigene Marineuniform aus dem
Vietnamkrieg als Kissen unter Sams Kopf.
Margaret Joyce „Maggie“ Williams erlag 2009 nach langem
Kampf ihrem Krebsleiden. Zwei Jahre vor ihrem Tod sagte sie dem Magazin
„Rolling Stone“:
„Es kamen Menschen zu mir und sagten, es wäre doch besser,
daß sie tot sei, schließlich hätte sie beide Beine verloren. Wer so etwas sagt,
dem ist noch nie etwas derart Schreckliches wie der Verlust eines Kindes
passiert. Ich weiß, Sam hätte ihr Schicksal angenommen, sie war so stark, daß
sie selbst die Kraft gefunden hätte, mir Trost zu geben.“
Maggie Williams ruht an der Seite ihrer Tochter in
Arlington. Sie gab Sam am Flughafen einen Brief, mit der Bitte, ihn erst nach
der Ankunft zu öffnen. Ihre Worte klingen prophetisch, denn es sollte ein
endgültiger Abschied sein:
„…Wenn du etwas getan hast, dessen du dich schämen mußt,
übernimm die Verantwortung und versuche, es so schnell wie möglich wieder gut
zu machen.Gib und akzeptiere Entschuldigungen anstandslos. Sprich deine Gebete
an jedem Tag. Lerne, dir selbst als erste und dann den anderen zu vergeben. Du
weiß, daß ich immer bei dir bin.Keine Entfernung, keine Zeit vermag unsere
Herzen zu trennen . Ich habe an jedem Tag deines Lebens an dich gedacht und
werde für den Rest meines Lebens mit einem Lächeln im Herzen an dich denken. Du
hast mich sehr stolz gemacht. Meine Gebete begleiten dich. Mommy.“
Bob Huff, der den Dienst bei der Polizei quittiert hatte,
fand Trost in seiner Leidenschaft, der Musik. Er fügte seinem Album mit 14
selbstkomponierten Gitarrensongs einen weiteren hinzu, „Sun and Moon“, gespielt
von Sam auf ihrer Flöte während ihrer Zeit in der Marching Band. Unterstützt
von seinem Produzenten und finanziert durch Spenden schickte Bob die CD an über
5000 Familien gefallener Soldaten. „Es bedeutet mir viel, das Gefühl zu haben,
etwas für diese Familien zu tun“, sagte er dem TV-Sender KVOA, „ egal, ob sie nur einen Song hören oder alle
15, mir ist wichtig, daß sie sich
wenigstens für ein paar Minuten in dieser schweren Zeit etwas besser fühlen.“
Mit ihren letzten Worten hatte Sam ihrem Vater Glück für
sein Album gewünscht, mit seinem Titel erwies Bob ihr die letzte Ehre – „Sun
and Moon“ = SAM.
Maggie, Bob und Sams
Verlobter Nicholas Neally bei Sams Beerdigung, Nationalfriedhof Arlington Va.,28.04.2005
(Bildquelle: arlingtoncemeterey.com)
|
Was bleibt vom Leben dieser außergewöhnlichen jungen Frau, die
ihren Idealen mit soviel Unbeirrtheit, Glauben,
Selbstbewußtsein und Mut folgte, bis ein heimtückischer Sprengsatz,
ausgelöst von der Hand eines Fanatikers ihren Träumen ein jähes Ende setzte?
Leslie Ann Garrison versucht am Ende ihrer Biographie eine
Antwort auf diese Frage zu geben:
„Vom Tag ihrer Geburt an führte Sam Huffs Weg, jeder ihrer
Wünsche, all die liebenswürdigen, fröhlichen und nachdenklichen Momente, die
sie mit anderen Menschen in ihrem Leben
teilte, auf direktem Weg zu jener tragischen Nacht an einer staubigen
Straßenkreuzung mitten im Nirgendwo.
Durch ihre Persönlichkeit und ihren Tod drang in unser
Bewußtsein, was die wahren Konsequenzen eines Krieges bedeuten. Als sie starb,
lenkte sie die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Art, wie sie gelebt hatte:
mit Mut, mit großer Freude und aufrichtiger Dankbarkeit für jeden Tag, den sie
auf dieser Welt hatte und mit Liebe im Herzen.
Sie ging, tanzte,
sang und rannte lächelnd durch ihr kurzes Leben, wie ihre Mutter sagte: ´Immer
geradeaus, mit dem Gesicht zur Sonne. ´ “
Sam Williams Huff ( 1986-2005)
EHRE IHREM
ANDENKEN – SIE IST UNVERGESSEN
|
Textquellen:
Leslie Ann Garrison
„American Daughter – The Sam Huff Story“
Booklocker.com Inc., 2007
ISBN -13 978-1-60145-126-2
„The Departed“
The Rolling Stone Magazine, Ausgabe 1027, 31.07.2007
S.76
arlingtoncemetery.com
AmericanWomensVeterans.org
facebook.com
kvoa.com
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen