Si vis pacem para bellum - Freiheit hat einen Preis

Si vis pacem para bellum - Freiheit hat einen Preis

Wenn ihr nach Hause geht, erzählt ihnen von uns und sagt ihnen, daß wir für ihr Morgen unser Heute gaben.

John Maxwell Edmonds

Freitag, 29. November 2013

Mit dem Gesicht zur Sonne


Als du geboren wurdest, hörte die Welt deinen Schrei. Lebe dein Leben so, daß du die Welt schreien hörst, wenn du sie verläßt.
                                                                           Sprichwort der nordamerikanischen Indianer
Name:       Sam Williams Huff
Rang:        Private First Class ( Obergefreite)
Einheit:     504.Militärpolizeibataillon, US - Army
Alter:        18
aus:          Tucson, Arizona, USA
Gefallen:  17.April 2005, Bagdad, Irak
        Operation Iraqi Freedom


Bildquelle: Facebook
                                         
„Was zur Hölle redest du da, Mädchen?! Das ergibt keinen Sinn für mich! Du wirst ihnen das alles schön selbst sagen!“
Der Sergeant bekam keine Antwort mehr. Ein großes, ein gutes Herz hatte aufgehört zu schlagen.

Sam James ist eine beeindruckende Persönlichkeit, hochgewachsen, intelligent, seine Worte mit Bedacht wählend. Der Familienvater und Gruppenführer im 504. Militärpolizeibatallion der US Army verkörpert das, was man gemeinhin einen gestandenen Mann nennt. Er absolvierte Einsätze im Irak und im Kosovo, war in Kämpfe verwickelt, wurde mit menschlichem Leid, Verletzungen und Tod konfrontiert.  Nichts, so glaubt man, kann den erfahrenen Soldaten aus seiner professionellen, in vielen kritischen Situationen gestählten Ruhe reißen.
Als Sergeant James der Autorin Leslie Garrison über die letzten Worte im Leben von Sam Huff berichtete, war es mit seiner Selbstbeherrschung vorbei. Jetzt hatte Sam James den Kampf gegen die Tränen verloren.

„Bitte sagen Sie Mama, dass ich sie liebe, und Papa wünsche ich viel Glück für sein Album“ flüsterte die 18jährige ihrem Vorgesetzten und väterlichen Freund zu, bevor sie die Augen für immer schloß.

Etwas mehr als eine Stunde zuvor war unmittelbar neben dem Fahrzeug, das die junge Soldatin aus Tucson in Arizona durch die nächtlichen Straßen Bagdads steuerte, ein ferngezündeter Sprengsatz explodiert. Drei 155 mm Artileriegranaten chinesischer Bauart schleuderten messerscharfe, glühendheiße Splitter, die Boden, Kotflügel und Fahrertür durchschlugen und ihre beiden Beine oberhalb der Knie zerfetzten. Verzweifelt kämpften Kameraden und Sanitäter um ihr Leben, doch in dieser chaotischen Nacht hatten sie keine Chance. Die Funkverbindung brach zusammen, so daß niemand in der Lage war, einen Rettungshubschrauber zu rufen. Das Lazarett, in das man Sam schließlich in einem der unzerstörten Fahrzeuge brachte, befand sich viel zu weit entfernt, die Soldaten kannten die Gegend nicht und verfuhren sich. Erschüttert und hilflos musste Sergeant James mit ansehen, wie das zierliche Mädchen, das er zärtlich-liebevoll „ die kleine Schwester unseres Zuges“ nannte, langsam in seinen Armen verblutete.

Obwohl das 504. Bataillon bereits zuvor Verluste im Gefecht erlitten hatte, war der Tod der bei Vorgesetzten wie Kameraden beliebten und geachteten jungen Frau ein Schock für die Einheit. „ Zum ersten Mal in meiner langen Dienstzeit beim Militär sah ich einen Oberstleutnant weinen.“ beschrieb ein Angehöriger des Bataillonsstabes den Moment, als die Todesnachricht aus dem Lazarett eintraf auf der Videoplattform Youtube. “Durch sie wurde ich zu einem besseren Vorgesetzten, Soldaten und Menschen. Ich werde über das, was in dieser Nacht geschah, niemals hinwegkommen“ gestand Sergeant James.
Neue Rekruten, die ins 504. Bataillon kamen, wurden von Stabsfeldwebel Stearns mit einem weißen Blatt Papier empfangen, über dem stand: „ Darum ist Sam Huff meine Heldin“. Er ließ sie einen Halbkreis bilden, er erzählte – und sie mussten schreiben …

Wer war dieses Mädchen, dessen kurzes Leben so viele Menschen bewegte und über das ihre Freundin und Kameradin Terri Euri sagte:
„ Sie war dein Fels in der Brandung, sie ging für dich durchs Feuer. Wenn du einen Freund brauchtest, du fandest ihn in ihr.“
2007 beschrieb die Journalistin und Autorin Leslie Ann Garrison aus Seattle in ihrer  Biographie „American Daughter – The Sam Huff Story“ den berührenden und tragischen Lebensweg einer jungen Frau, deren unbeirrbarer Wille, Scheitern unter keinen Umständen zu akzeptieren in jener schicksalhaften Aprilnacht an seine letzte Grenze stieß.

Mehr als 1500 Menschen besuchten die „ memorial services“– öffentliche Veranstaltungen, bei denen die Erinerungen an einen Verstorbenen geteilt werden  -  für Sam an verschiedenen Orten, der Basis ihrer Einheit in Bagdad, in ihrer Heimatstadt Tucson und an ihrer Schule, der „ Mountain View Highschool“ in Oro Valley. Allen, die dabei das Wort ergriffen, war eine Erinnerung gemeinsam – die tiefe, innige Liebe, die Sam  ihren Eltern entgegenbrachte. Shaw Duvall,  Bordschütze auf dem Fahrzeug von Sam und Sergeant James, heute Sheriff in seiner Heimatstadt Tampa, erinnerte sich:
„ Sie kam irgendwann mit ihrem Fotoalbum zu mir, das voller Bilder ihrer Eltern war, und fing zu erzählen an. Jeder Soldat in unserer Einheit kannte dieses Album. Obwohl keiner von uns ihnen je begegnet war, wußten wir alles von Sams Eltern."

Glenn Johnson, ein Freund der Familie, schrieb: „ Ich erlebte niemals zuvor eine stärkere, engere Bindung zwischen Eltern und ihrem Kind. Es wundert mich in keiner Weise, daß Sams letzte Worte, nachdem sie tödlich verwundet wurde, an ihre Eltern gerichtet waren. Bob und Maggie hörten niemals auf, Sam die ungeschminkte Wahrheit über alles und jedes zu erzählen und ich denke, das war der Hauptgrund, daß sie so schnell zu einem solch starken, ausgeglichenen Charakter einer erwachsenen jungen Dame heranwuchs.“

Sam Huff mit ihren Eltern Bob Huff und Margaret Joyce „Maggie“ Williams (Bildquelle:Facebook)
                                         
Sams Mutter, Maggie Williams, die während des Vietnamkrieges als Fluglotse im Marine Corps diente und danach, wie Vater Bob Huff, bei der Polizei von Tucson, blickte zurück:
„ Wir erzählten ihr stets die Wahrheit und sie glaubte uns. Sie war ein außergewöhnlicher Teenager in dieser Hinsicht, weil sie immer bereit war, uns zuzuhören. Sie wußte, daß ihr Vater und ich durch unseren Job lebenserfahren waren, und wenn wir ihr erzählten, was mit Leuten passiert, die Drogen nehmen oder Sex haben, ohne alt und erfahren genug zu sein, dann glaubte sie uns. Sie war ein großartiges Kind in dieser Beziehung.“

Ein Thema gab es allerdings, über das niemand mit Sam sprechen konnte: die Bitte, in Kriegszeiten nicht in die Armee einzutreten. Es war ihr Traum seit Jahren, als Militärpolizist zu dienen und Sam Huff war fest entschlossen, diesen Traum wahr werden zu lassen.
 „ Wir gerieten einmal in einen heftigen Streit, in meiner Küche, als ich sie bat, sich die Sache doch wenigstens noch einmal zu überlegen.“ berichtete ihre Schulfreundin Lauren Robbenault. „ Sam riß die Tür auf und fuhr mich an: Wenn du nicht bereit bist, mich zu unterstützen, dann geh. Ich blieb, denn ich wollte unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Nach dem sie gefallen war, hörte ich viele Leute sagen, daß irgendjemand es hätte verhindern, sie stoppen müssen. Das ist Unsinn. Niemand konnte Sam aufhalten, wenn sie sich ein Ziel gesetzt hatte.“ Mutter Maggie fügte hinzu: „ Sie hatte schon als Kind diese Anpackermentalität: Sag mir, daß ich etwas nicht kann und ich werde es dir beweisen.“

Sams Willenskraft, ihre Führungsstärke und die unbedingte Bereitschaft sich für andere, schwächere Mitglieder der Gemeinschaft einzusetzen, beeindruckten Ellen Kirkbride, die Musiklehrerin der Mountain View Highschool und Leiterin der Schulband. Von ihrem ersten Highschooljahr an spielte die wie ihr Vater Bob musikalisch begabte Sam Flöte in der Marching Band, auch hier hatte sie von Anfang an ein klares Ziel vor Augen – die Position des Tambourmajors. Obwohl diese Aufgabe traditionell Schülern älterer Jahrgänge vorbehalten war, marschierte Sam tatsächlich im Alter von gerade 16 Jahren als „ Drum Major“ an der Spitze der Mountain View Marching Band. „Es gab musikalisch talentiertere Bewerber, aber keiner hatte diese positive Ausstrahlung, die Fähigkeit, andere mitzureißen und vor allem die rührende Art und Weise, mit der sie sich um die Kleineren und Leistungsschwächeren kümmerte.“, so Ellen Kirkbride.
Sam Huff als Mitglied der Mountain View Marching Band ( Bildquelle: legacy.com)


                          Dieses kurze Video bei Youtube zeigt Sam während eines Auftrittes 2003

 Ungefähr zur gleichen Zeit überraschte Sam ihre Eltern mit der Ankündigung, in die Armee eintreten zu wollen, zu einer Zeit, als Amerika in zwei Kriege mit ungewissem Ausgang verwickelt war, ein beunruhigender Gedanke für Maggie und Bob. „ Ja, ich kenne die Risiken“ sagte Sam ihrem Vater, „ aber ich habe einen Plan. Ich möchte, während ich bei der Armee bin, ein Fernstudium beginnen, meinen Abschluß in Psychologie machen und danach zum FBI gehen.“
Schweren Herzens entschlossen sich Maggie und Bob ihre wegen Sams Minderjährigkeit notwendige Zustimmung zu geben, immer in der stillen Hoffnung, sie könnte ihre Meinung noch ändern. Maggie wollte ihre gutaussehende Tochter zu einer Modelkarriere überreden, aber die hübsche Sam, der die Herzen vieler junger Männer an ihrer Schule und darüberhinaus zuflogen, strebte nie nach der Aufmerksamkeit des anderen Geschlechtes.
 „Ich will  niemals einen Job haben, der von meinem Aussehen abhängig ist. Mein Leben soll etwas bewirken“ sagte Sam zu ihrer Mutter.

Am 4. Juli 2004, unmittelbar nach ihrem Schulabschluß, verließ Sam ihr Elternhaus, um ihre Grundausbildung  in Fort Leonard Wood, Missouri  anzutreten.
Nur wenige Tage zuvor war bei ihrer Mutter Maggie Lungenkrebs diagnostiziert worden, die Ärzte gaben ihr sieben Monate bis maximal zwei Jahre zu leben. Maggie und Bob entschlossen sich, Sam nichts davon zu erzählen. „Ich wollte nicht, daß sie ihren Lebensplan wegen meinem ändert.“ sagte Maggie.
Waren Sams Vorgesetzte anfangs skeptisch, ob das kleine schmächtige Mädchen die körperlichen Herausforderungen des Militärdienstes meistern könne, wichen ihre Zweifel bald dem Staunen über ihre Fähigkeit, die eigenen Grenzen zu überschreiten. Im März 2013 erinnerte sich der pensionierte Armeeausbilder John Arnet auf der Facebookseite der 42. Brigade an diese Zeit:
„Sie absolvierte den physischen Teil der Ausbildung mit Bravour, was ihr keiner von uns zugetraut hatte. Allerdings erlitt sie dabei eine Streßfraktur im Bein und der Arzt setzte sechs Wochen Rehabilitation bis zu Dienstfähigkeit voraus. Unser Kompaniechef wollte sie nach Hause schicken, nach seiner Meinung konnte sie die ausgefallene Ausbildung bis zur Abschlußprüfung nicht mehr aufholen. Sie kam in mein Büro und beschwor mich, wir dürften ihren Traum nicht zerstören, sie würde hart arbeiten um alles nachzuholen. Am Ende stimmte ich meinen Kommandeur um und in der Tat, sie hielt durch. Als ich von ihrem Tod erfuhr dachte ich, ich hätte besser auf meinen Vorgesetzten hören sollen. Dann wäre sie heute noch am Leben und bei ihrer Familie.“


Sam Huff nach Abschluß ihrer Ausbildung, Fort Leonard Wood, MO., Herbst 2004 (Bildquelle: Facebook)

Sam Huff wurde der 170. Kompanie im 504.Militärpolizeibataillon, Fort Lewis / Washington zugeteilt. Ihr Gruppenführer, Sergeant Sam James, erinnerte sich genau an den Moment des ersten Zusammentreffens mit seiner neuen Untergebenen:
„Sie kam herein, knapp 1,60m groß, keine 50 kg schwer. Ich konnte geradewegs über ihren Kopf hinwegsehen, als sie mir Meldung erstattete und ich dachte: O.K., wir ziehen in den Krieg und das gibt man mir als Soldat.Aber sie war intelligent, diszipliniert und in der Lage, ihre physischen Defizite durch mentale Stärke auszugleichen. Ihr Ziel bestand stets darin, besser zu sein als ihre Kameraden. In diesem Körper eines kleinen, scheinbar zerbrechlichen Mädchens verbarg sich ein Rückgrat aus Stahl.“
Sergeant James begann Sam als seine persönliche Fahrerin zu trainieren, schon bald wich seine anfängliche Skepsis Bewunderung.
„Nachdem wir im Kuwait angekommen waren, begannen wir mit noch intensiverer Ausbildung  für unseren Einsatz.  Beim Selbstverteidigungstraining schlug sie härter zu, als mancher meiner Unteroffizierskollegen und selbst ich fand mich einige Male mit schmerzenden Gliedern im Wüstensand wieder, weil sie mich im Schwitzkasten hatte.
Unsere Fahrzeuge waren mit überschweren Maschinengewehren ausgerüstet, die man laden mußte, in dem man den Verschluß nach hinten zog. Sie scheiterte zunächst daran, es überstieg ganz einfach ihre körperlichen Kräfte. Ich nahm sie zur Seite: `Ist das dein Ernst, willst du etwa ein halber Soldat sein? Es kann da draußen Leben kosten, wenn du diese Waffe nicht laden kannst´ Es dauerte nicht lange, und ich hörte das Geräusch, wie das MG durchgeladen wurde, wieder und wieder und wieder. Nein, Sam Huff war kein kleines Mädchen, sie war eine starke Frau.“
Die Zeit, die Sam in Fort Lewis verbrachte, veränderte ihr Leben. Das bildschöne Mädchen, das  jungen Männern bis dahin so wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht hatte, verliebte sich in ihren Kameraden Nicholas Neally. Sie trug einen Verlobungsring an ihrem Finger, als sie Anfang 2005 das Transportflugzeug  Richtung Kuwait bestieg.

Angekommen im Irak wurden die Militärpolizisten der 170.Kompanie für die gefährlichste aller Aufgaben eingeteilt. Sie fuhren Begleitschutz für die zahlreichen Fahrzeugkonvois zwischen dem Flughafen Bagdad und der „Green Zone“, dem riesigen Militär- und Diplomatenviertel im Zentrum, die pausenlos aus dem Hinterhalt attackiert wurden, in ihren fast ungepanzerten „Humvee“-Jeeps ein wahres Himmelfahrtskommando. „ Wir fahren mit  über 110 kmh, drängen jedes Fahrzeug, das unserem Konvoi zu nahe kommt, ab oder rammen es. Um uns herum wird geschossen, ohne daß wir sehen können, woher es kommt. Wir können absolut nichts tun, nur fahren und beten, daß es uns nicht trifft.“ schrieb Sam in einer email nach Hause.
 
"Beten, daß es uns nicht trifft" Sam am Steuer ihres Humvee, Bagdad, Frühjahr 2005 (Bildquelle: The Rolling Stone Magazin, Nr. 1027 v. 31.05.2007)

Die unaufhörliche nervliche Anspannung, die ständige Anwesenheit tödlicher Gefahr förderte eine weitere wesentliche Eigenschaft in Sams Charakter zutage – das absolute Fehlen jeglicher Furcht in gefährlichen  Situationen. „ Wir fuhren von einem Einsatz zurück zu unserer Basis“, so Sergeant James „ und unmittelbar vor uns ging eine Autobombe hoch. Eine beliebte Taktik der Terroristen war es, Fahrzeuge, die an solchen Stellen langsam fuhren oder hielten, aus dem Hinterhalt anzugreifen. Also befahl ich ihr, auf  keinen Fall auch nur den Fuß vom Gas zu nehmen. Die Straße war mit Trümmern und Leichenteilen übersät, vor uns lag ein Torso, ein menschlicher Körper ohne Arme und Beine, dem wir nicht ausweichen konnten -die einzige Möglichkeit war, darüberhinwegzufahren. Mein Bordschütze Duvall, ein Soldat mit langer Kampferfahrung, erlitt einen Nervenzusammenbruch, schrie, er könne das alles nicht mehr aushalten, während meine achtzehnjährige Fahrerin mit keiner einzigen Wimper zuckte.“
 Sam schilderte diesen Vorfall Bill Holmes, einem Freund der Familie in einer email: „… ob du mir glaubst oder nicht, ich fuhr über all das drüber und ich hatte keine Gefühle dabei. Das einzige, woran ich dachte, war, mich, meinen Bordschützen und meinen Kommandeur am Leben zu erhalten. …“

Eine Begebenheit, die sich in einer irakischen Polizeistation zutrug, blieb Sergeant James besonders in Erinnerung. „ Wir sollten die neu aufgebaute irakische Polizei ausbilden, sie fit dafür machen, irgendwann ohne uns klarzukommen. Als ich nach draußen ging, um eine Zigarette zu rauchen, hörte ich diese charakteristische, schrille Stimme und glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Da stand dieses kleine Mädchen, die blonden Haare lugten rechts und links unter dem Helm hervor, mitten auf dem Hof und scheuchte  ein halbes Dutzend irakischer Polizisten in der Gegend herum. Keiner von denen war jünger als 50 und Sam brüllte sie an, weil sie dies und jenes nicht zu ihrer Zufriedenheit erledigt hatten. Sie begegnete meinem fassungslosen Blick und sagte: ´Was´n los, Sarge, warum gucken Sie so? Hatten Sie vielleicht gedacht, daß ich sowas nicht kann??´ Ich fing schallend zu lachen an und rief zu ihr herüber: ´Huff, sie sind vollkommen verrückt! ´  Sie wußte selbstverständlich, daß irakische Männer keinerlei Respekt vor einer Frau haben, genau deshalb zog sie das mit aller Konsequenz durch. Sam hatte keinerlei Furcht, niemals, vor nichts und niemandem.“


„Dachten  Sie etwa, daß ich das nicht kann?“ Sam Huff im Kampfanzug, Bagdad, Frühjahr 2005 (Bildquelle: arlingtoncemetery.com)


 Beindruckende äußere Erscheinung und charakterliche Stärken, diese Erinnerung an Sam teilten viele Freunde, Kameraden und Vorgesetzten in den Interviews mit Leslie Garrison und den Gedenkveranstaltungen nach ihrem Tod.

Ashley Lathers, Sams Freundin und Zimmergenossin im Irak:
„Sie hatte keine Scheu, ihre Gedanken zu äußern, aber sie war die erste, die bereit war, eine andere, abweichende Meinung zu akzeptieren. Sie war eine innere und äußere Schönheit, strahlte eine ungewöhnliche Kraft aus. Du mußt dein Leben mit voller Intensität leben, deine Ziele mit ganzer Kraft verfolgen, das war es, was ich von Sam lernte.
Sie liebte zwei Dinge, ihren Verlobten Nick und das Tanzen. Dieses Mädchen war pausenlos am Tanzen, wann immer sie die Gelegenheit hatte, ich überraschte sie manchmal,in unserem Zimmer, wie sie quer durch den ganzen Raum tanzte .Sie tanzte mit einer Anmut, die den meisten Menschen fehlt. Achtzehn ist ein schrecklich junges Alter, die Welt zu verlassen, aber sie hatte ein Leben gelebt, von dem viele Menschen nur träumen können. Die Art und Weise, wie sie gelebt hat, macht sie unsterblich, nicht die Umstände ihres Todes, das würde ich der Welt über Sam Huff erzählen. Die Menschen sollten sich in Erinnerung rufen, daß die Person und nicht die Tat einen Helden ausmacht.“

„Wir wurden so enge Freunde, daß wir als Bruder und Schwester angesehen wurden. So nannte man uns in der Kompanie und das traf es genau“ sagte Bordschütze Shaw Duvall.
„Sam war die kleine Schwester, die ich immer wollte, aber niemals hatte  Wir redeten über alles, was in unserem Leben passierte, halfen uns gegenseitig, wenn der andere Probleme hatte, waren stets füreinander da. Es war mir eine große und besondere Ehre, sie gekannt zu haben, Teil ihres Lebens gewesen zu sein“


                                      Der Mensch, nicht die Tat macht einen Helden“

 Obergefreite Ashley Lathers gedenkt ihrer Freundin Sam Huff, US-Army Basis Camp Falcon, Bagdad, April 2005 (Bildquelle: dvidshub.net)



Eindringliche, berührende Worte fand Sam James, der erfahrene Berufssoldat, der in Sams letzten Minuten an ihrer Seite war:
„Sie war eine wunderschöne junge Frau, die Art, nach der man beim Einkaufen den Kopf verdreht, eine fröhliche, lustige Person, die die schönen und wichtigen Dinge in ihrem Leben liebte – Musik, Tanzen, ihren Verlobten, ihre Eltern. Sam war ein so glücklicher und zufriedener Mensch, wenn sie ging, sah es so aus, als würde sie über den Boden schweben.Aber unter dieser äußeren Hülle einer schönen jungen Dame verbarg sich ein Rückgrat aus Stahl.  Ich fragte sie irgendwann, warum sie zur Armee ging und sie erwiderte, daß sie ihren Teil beitragen wolle. Ihre Mutter diente im Marine Corps und bei der Polizei, ihr Vater war Sheriff und nun sei es an ihr, anderen Menschen zu helfen. Mein Team und ich fanden uns auf unseren Missionen in Bagdad in vielen gefährlichen Situationen wieder, in keiner einzigen zeigte sie auch nur das geringste Anzeichen von Furcht. Ich vertraute ihr ohne Bedenken mein Leben an. Menschen wie Sam machen es zu einer Freude, Anführer in der Armee zu sein...“

Anderen, schwächeren Menschen, die selbst nicht für ihre Interessen einstehen können, zu helfen, war die stärkste Motivation für Sam Huff. „ Sie wurde wütend, wenn sie eine Frau in einer Burka sah“ erinnerte sich ihre Mutter „ am meisten schockiert war sie, als sie in einer irakischen Polizeistation mit einer Frau sprach, die Medizin studiert hatte, aber wegen  ihres Geschlechts nicht als Ärztin arbeiten durfte.“
„ Ich kenne keinen einzigen Jungen an unserer Schule, der diese physischen und psychischen Opfer für Menschen, die er niemals gekannt hat, auf sich genommen hätte. Irgendwann, Sam, erzähle ich meinen Kindern von meiner Freundin, die zu solch einer Heldin wurde.“ schrieb Schulfreundin Lauren Robbenault.


„Eine innere und äußere Schönheit von ungewöhnlicher Kraft“ (Bildquelle: legacy.com)
                                    
Sam Huff wurde mit allen Ehren auf dem Nationalfriedhof Arlington bestattet. Ihre Mutter Maggie legte ihre eigene Marineuniform aus dem Vietnamkrieg als Kissen unter Sams Kopf.
Margaret Joyce „Maggie“ Williams erlag 2009 nach langem Kampf ihrem Krebsleiden. Zwei Jahre vor ihrem Tod sagte sie dem Magazin „Rolling Stone“:
„Es kamen Menschen zu mir und sagten, es wäre doch besser, daß sie tot sei, schließlich hätte sie beide Beine verloren. Wer so etwas sagt, dem ist noch nie etwas derart Schreckliches wie der Verlust eines Kindes passiert. Ich weiß, Sam hätte ihr Schicksal angenommen, sie war so stark, daß sie selbst die Kraft gefunden hätte, mir Trost zu geben.“

Maggie Williams ruht an der Seite ihrer Tochter in Arlington. Sie gab Sam am Flughafen einen Brief, mit der Bitte, ihn erst nach der Ankunft zu öffnen. Ihre Worte klingen prophetisch, denn es sollte ein endgültiger Abschied sein:
„…Wenn du etwas getan hast, dessen du dich schämen mußt, übernimm die Verantwortung und versuche, es so schnell wie möglich wieder gut zu machen.Gib und akzeptiere Entschuldigungen anstandslos. Sprich deine Gebete an jedem Tag. Lerne, dir selbst als erste und dann den anderen zu vergeben. Du weiß, daß ich immer bei dir bin.Keine Entfernung, keine Zeit vermag unsere Herzen zu trennen . Ich habe an jedem Tag deines Lebens an dich gedacht und werde für den Rest meines Lebens mit einem Lächeln im Herzen an dich denken. Du hast mich sehr stolz gemacht. Meine Gebete begleiten dich. Mommy.“

Bob Huff, der den Dienst bei der Polizei quittiert hatte, fand Trost in seiner Leidenschaft, der Musik. Er fügte seinem Album mit 14 selbstkomponierten Gitarrensongs einen weiteren hinzu, „Sun and Moon“, gespielt von Sam auf ihrer Flöte während ihrer Zeit in der Marching Band. Unterstützt von seinem Produzenten und finanziert durch Spenden schickte Bob die CD an über 5000 Familien gefallener Soldaten. „Es bedeutet mir viel, das Gefühl zu haben, etwas für diese Familien zu tun“, sagte er dem TV-Sender KVOA,  „ egal, ob sie nur einen Song hören oder alle 15, mir ist wichtig, daß sie sich  wenigstens für ein paar Minuten in dieser schweren Zeit etwas besser fühlen.“
Mit ihren letzten Worten hatte Sam ihrem Vater Glück für sein Album gewünscht, mit seinem Titel erwies Bob ihr die letzte Ehre – „Sun and Moon“ = SAM.


Maggie, Bob und Sams Verlobter Nicholas Neally bei Sams Beerdigung, Nationalfriedhof Arlington Va.,28.04.2005

 (Bildquelle: arlingtoncemeterey.com)

                                          Gedenkvideo bei Youtube

Was bleibt vom Leben dieser außergewöhnlichen jungen Frau, die ihren Idealen mit soviel Unbeirrtheit, Glauben,  Selbstbewußtsein und Mut folgte, bis ein heimtückischer Sprengsatz, ausgelöst von der Hand eines Fanatikers ihren Träumen ein jähes Ende setzte?

Leslie Ann Garrison versucht am Ende ihrer Biographie eine Antwort auf diese Frage zu geben:

„Vom Tag ihrer Geburt an führte Sam Huffs Weg, jeder ihrer Wünsche, all die liebenswürdigen, fröhlichen und nachdenklichen Momente, die sie mit  anderen Menschen in ihrem Leben teilte, auf direktem Weg zu jener tragischen Nacht an einer staubigen Straßenkreuzung mitten im Nirgendwo.
Durch ihre Persönlichkeit und ihren Tod drang in unser Bewußtsein, was die wahren Konsequenzen eines Krieges bedeuten. Als sie starb, lenkte sie die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Art, wie sie gelebt hatte: mit Mut, mit großer Freude und aufrichtiger Dankbarkeit für jeden Tag, den sie auf dieser Welt hatte und mit Liebe im Herzen.
Sie ging, tanzte, sang und rannte lächelnd durch ihr kurzes Leben, wie ihre Mutter sagte: ´Immer geradeaus, mit dem Gesicht zur Sonne. ´ “ 

Sam Williams Huff ( 1986-2005)



      EHRE IHREM ANDENKEN – SIE IST UNVERGESSEN



Textquellen:

Leslie Ann Garrison
„American Daughter – The Sam Huff Story“
Booklocker.com Inc., 2007
ISBN -13 978-1-60145-126-2

„The Departed“
The Rolling Stone Magazine, Ausgabe 1027, 31.07.2007
S.76

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